Heidevereine

Im 19. Jahrhundert wurde die Dölauer Heide durch die Hallenser als Erholungs­wald „entdeckt". Die Stadt Halle wuchs mit der zunehmenden Besiedlung der Heide quasi immer mehr entgegen. Gleich­zeitig ver­schwan­den mit den Stadterweiterungen viele Gärten, Wiesen, Felder und Schenken außerhalb der Stadt­mauern. Halle war eine typische Industriestadt der damaligen Zeit, geprägt von Salzsiedereien, Gerbereien, Stärke- und Papierfabriken. Später kam die Braunkohleindustrie hinzu. Durchzogen von verschiedenartigen Luftverunreinigungen und Gerüchen erhielt sie Bezeichnungen wie „torfgelbe Schöne" oder „Diva in Grau". Die Einwohner drängten in die frische Luft des Waldes, wobei man sich zunächst allerdings nur in größeren Gruppen und zu besonderen Feiertagen in die Heide wagte, da ein Besuch allgemein als nicht ungefährlich galt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es aber auch „mutige Einzelgänger", deren Pioniergeist bewundert wurde, darunter die Oberlehrer Weiske und Schlenker von der Latina und einige Pflanzen- und Insektenforscher.

In der Mitte des 19. Jahrhundert entstand eine Gesellschaft mit dem Namen „Kasino", die sich später „Kolk-Gesellschaft" nannte. Es handelte sich um einen Kreis von Künstlern und Akademikern, in dem auf humor­volle Weise Fragen der Literatur, Kunst und Wissenschaft diskutiert wurden. Der Name stammt von der Be­zeich­nung „kolken", der „ulken" oder „geistreich blödeln" bedeutet. Mit der Krankheit und dem Tod meh­re­rer Mit­glieder erlebte die Kolk-Gesellschaft um 1865 insofern eine Wandlung, als an die Stelle der Dichter und Schöngeister Kaufleute, Ärzte und Beamte traten. Sie picknickten in der Heide und erfreuten sich an der Natur des Waldes. Im August 1879 kam die Idee auf, einen Aussichtsturm in der Heide zu bau­en, um die vorhandene gute Fernsicht noch zu verbessern. Die Mittel zur Erbauung des Kolkturms wur­den durch Spen­den auf­ge­bracht. Um einer mutwilligen Zerstörung vorzubeugen, wurde ein Turmwächter bestellt und ein Wächterhäuschen errichtet. Bereits am 2.7.1880 konnte der Turm auf dem Ton­berg (bzw. Dom­berg) der Öffentlichkeit übergeben werden. Die Übergabe stellt gleichzeitig den ersten Schritt zur tou­risti­schen Erschließung der Dölauer Heide dar. Die Kolk-Gesellschaft zerfiel später.

1865 wurde der Verschönerungsverein gegründet, der sich als Ziele den Schutz und die Verbesserung der halleschen Grünanlagen setzte. Durch den Arzt Dr. Oskar Thamhayn, der sowohl der Kolk-Gesellschaft als auch dem Verschönerungsverein angehörte, kam es beim Bau und der Unterhaltung des Kolkturms zum Zusammenwirken der beiden Vereine. Der Verschönerungsverein konzentrierte sich insgesamt haupt­säch­lich auf die städtischen Grünanlagen in Halle.

1904 gründete der Hallenser Juwelier Franz Robert Tittel den Heide-Verein. Es gehört zu Tittels Verdiensten, dass die Heide den Hallensern erschlossen wurde, dass Wege angelegt und Ruhebänke aufgestellt wurden. Tittel entwickelte auch die Idee, die Anziehungskraft des Aussichtsturms durch die Einrichtung eines Heide­museums im alten Wächterhäuschen zu steigern. In dem 1909 eröffneten Museum wurden aus­ge­stopf­te Exem­plare aller in der Heide heimischen Tiere ausgestellt. Eine Postkarte aus dem Jahr 1913 wirbt für den Besuch des Heidemuseums:

Der Heide-Verein erlebte in den Anfangsjahren großen Zuspruch durch die Hallenser Bürger. Schon vier Jah­re nach der Gründung zählte er 1059 Mitglieder. Es entwickelte sich eine rege Vereinstätigkeit, die sich z. B. in Kostümbällen, Heidefesten, Waldgottesdiensten, Chorkonzerten, Kutschfahrten und Picknicks auf der Bischofswiese wiederspiegelte und tausende Bürger in die Heide führte. Die Heide war in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg der Mittelpunkt für die sommerlichen Vergnügungen und Geselligkeiten der Hallenser. Der erste Heideverein, der Kolkturm und das Heidemuseum gingen im Laufe des ersten Weltkrieges und den Nachkriegswirren unter. Der Turm wurde 1921 durch Vandalismus zerstört, die Exponate des Heide­mu­se­ums gestohlen.

1929 erwarb die Stadt Halle unter Bürgermeister Rive (Amtszeit 1905 – 1933) das Areal der Dölauer Heide. Es wurde ein einzigartiger Grüngürtel im Westen der Stadt durch die parkartige Ausgestaltung des Saaletals zwischen Forstwerder und der Insel Peißnitz sowie die Verbindung der beiden Landschaftsbereiche durch mit Bäumen und Sträuchern gesäumte Alleen geschaffen.Der Ankauf des Heidegebietes war schließlich der Anstoß zur Gründung eines zweiten Heide-Vereins am 11.11.1929. In seiner Satzung setzte sich der Verein den Zweck, "... in den städtischen Waldungen Dölauer Heide, Rabeninsel und Forstwerder Ver­bes­se­run­gen und Ver­schö­ne­run­gen, die der Allgemeinheit dienen, durch Hergabe von Geldmitteln zu unterstützen. Als Hauptarbeitsgebiet sind im Besonderen die Aufstellung von Ruhebänken, Verbesserung der Wege­ver­hält­nis­se, Förderung des Tierschutzes, Unterstützung der Naturschutzbestrebungen zu nen­nen." Der Magistrat der Stadt Halle förderte mit Nachdruck die Tätigkeit des Vereins in dem Be­wusst­sein, dass die Erschließung des Gebietes als attraktives Erholungsgebiet nicht allein in der kommunal­poli­ti­schen Ver­ant­wor­tung der städtischen Forstbehörde liegen konnte, sondern auch durch ge­sell­schaft­li­ches En­gage­ment mitgetragen werden musste. Zu den ca. 300 Mitgliedern des zweiten Heide-Vereins zählten viele bekannte Hallenser Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft, Verwaltung und Wirt­schaft.

Die planvolle Tätigkeit des Vereins zeigte bald Wirkung. So ist dem Jahresbericht des Vereins von 1932 zu entnehmen, dass 6150 m Fußwege, 4220 m Radfahrwege, 3000 m Reitweg, 6 Schutzhütten, 23 Ruhebänke, 115 Papierkörbe, Hunderte von Nistkästen, 2 Trinkbrunnen, Wegweiser in Holzarbeit usw. angelegt wurden. Daneben wurden der Hertha-Rehteich wiederhergestellt, ein Goethe­-Gedenk­stein gestaltet und die Pflege des Heidefriedhofs übernommen. In fünf Räumen des Waldhauses Heide wurde ein neues Heidemuseum ein­ge­rich­tet. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg entstand der aus Holz gebaute Aussichtsturm auf dem Schwarzen Berg, der in den 60er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. Der zweite Heide-Verein sowie das neue Heidemuseum wurden Opfer des zweiten Weltkrieges.

Am 1.10.1952 kam es zur Gründung eines dritten Heide-Vereins, der nun nicht mehr als Vereinigung des bürgerlichen Rechts bestand, sondern als „Arbeitskreis Dölauer Heide" unter dem Dach des Kulturbundes angesiedelt war. Wiederum fanden sich bekannte hallesche Persönlichkeiten, Naturschützer, Ornithologen, Forstleute, Geologen und Archäologen unter den Mitgliedern. Trotz ungünstiger wirtschaftlicher und po­li­ti­scher Verhältnisse ergab sich eine erfolgreiche Tätigkeit zum Wohl der Dölauer Heide. So wurde der Na­tur­lehr­pfad wiederhergestellt. 1953 wurde das Heidemuseum wieder begründet, das letztendlich 1976 endgültig aufgegeben wurde.
Eine Werbung zum Besuch des Heidemuseums in der Gaststätte "Waldkater" aus dem Jahr 1955 ist hier zu sehen:

 

Zu den Veranstaltungen des neuen Heide-Vereins gehörten Führungen in der Heide und Vorträge. Besonders bekannt sind die beliebten, mehrmals aufgelegten Heideführer. Der Heide-Verein engagierte sich weiterhin bei der Schaffung des Landschaftsschutzgebietes Dölauer Heide und der Na­tur­schutz­gebiete Bischofswiese und Lintbusch.

Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde im Jahr 1991 ein vierter Heide-Verein gegründet. Er verschrieb sich dem Zweck des Schutzes und der Betreuung der sich verändernden und bedrohten Heide. Dazu gehörten bei­spiels­wie­se die Förderung von Natur-, Arten und Denkmalschutz und die Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung bzgl. der Heidepflege. Diese Ziele sollten in enger Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung, Umwelt- und Denkmalschutz sowie den einschlägigen Vereinen erfolgen.

Quellen:

Die Dölauer Heide
Hrsg.: Geschichtsmuseum der Stadt Halle, Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik – Stadtleitung Halle, Kreiskommission der Natur- und Heimatfreunde. – Halle, 1976

Heideverein <Halle, Saale>: Jahresbericht des Heidevereins in Halle. – Halle, S.: Gebauer-Schwetschke, 1932

Rund um die Geschichte des Heidemuseums
In: Halle <Saale>: Amtsblatt der Stadt Halle (Saale). - 8 (2000), 14, S. 6

Schick, Manfred:
Die Heide – und einiges vom Heide-Verein
In: Der Heide-Bote. – 4 (1930), Nr. 38 vom 18.03.1930, S. 1 - 2

Schwarze-Neuss, Elisabeth:
Die Heidevereine
In: Albrecht, Torsten [u.a.]: Die Dölauer Heide - Waldidylle in Großstadtnähe/ Magistrat der Stadt Halle, Dezernat Umwelt- und Naturschutz. - Halle: 1993. - S. 115 - 118